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Fiktiver Schadensersatz IV

Die Kosten für eine nicht durchgeführte Behandlung, die der Geschädigte fiktiv abrechnen möchte, haben mit dem Schmerzensgeld dem Grunde nach nichts zu tun.

Die Operation würde einzig und allein der Wiederherstellung des Zustandes vor der Schädigung dienen. Der dazu erforderliche Geldbetrag steht dem Geschädigten damit nicht als Erstattungsanspruch, sondern vielmehr als der ursprünglicher Herstellungsanspruch zu, der lediglich in Geld auszuzahlen ist. Dieses Ergebnis entspricht auch offensichtlich der Billigkeit und löst den oben dargelegten Wertungswiderspruch zwischen Sach- und Körperschäden auf. Die körperliche Unversehrtheit ist im Vergleich zu Sachwerten das vornehmere Rechtsgut. Deshalb müssen auch hier die Wiederherstellungsaufwendungen gleichbehandelt werden.

In diesem Zusammenhang kann dann auch dem Argument des Bundesgerichtshofes (BGH) entgegengetreten werden, dass bei einer fiktiven Abrechnung von Sachschäden vor Abrechnung eine gedachte negative Bilanz im Vermögen des Geschädigten zu verzeichnen sei. Gerade der Ausgleich dieser negativen Bilanz sei jedoch laut BGH wesensmäßig bei der Herstellung der körperlichen Integrität nicht möglich, da das eine Vermögen, das andere den nicht kommerzialisierbaren Körper betreffe.

Die Feststellung, dass der Körper grundsätzlich nicht kommerzialisierbar ist, ist richtig und wichtig.

Sie führt letztlich jedoch dazu, dass das, was eigentlich von der Rechtsordnung zuvorderst geschützt werden sollte und auch größtenteils wird, im Schadensfalle schlechter behandelt wird, als nachrangige Rechtsgüter. Somit kann der am Körper Verletzte bereits aus dieser Erwägung heraus nicht schlechter gestellt werden, als der, dessen Sachwerte beschädigt wurden.

Schließlich wird gegen eine fiktive Abrechnungsmöglichkeit von Körperschäden angeführt, dass eine objektive Bestimmung des zu zahlenden Betrages äußerst schwierig sei, da jeder Behandlungsverlauf individuell und damit kaum vorhersehbar sei. Dieser Gedanke ist sicherlich nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Allerdings ist die heutige Medizin eine in monetärer Hinsicht bis ins kleinste Detail durchgeplante und aufgeschlüsselte Heilwissenschaft. Jeder erdenklichen Behandlung wird in so genannten Diagnosis Related Groups (kurz: DRGs) ein daraus zu errechnender Geldbetrag zugewiesen. Damit ist eine Objektivierbarkeit der fiktiven Abrechnung gegeben.

Es gibt heute keine Rechtfertigung mehr die fiktive Abrechnung von Sach- und Körperschäden unterschiedlich zu behandeln.

Man kann den Wortlaut des § 249 BGB mit der durchaus anerkennenswerten Erwägung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu der besonderen Interessenlage bei Körperschäden ergänzen. Daraus ergibt sich, dass ein Verwendungsvorbehalt für Zahlungen, die als Äquivalent für den ursprünglichen Anspruch auf Wiederherstellung von Körperschäden geleistet werden, nicht zu rechtfertigen ist. Dieses Ergebnis ist auch unter Berücksichtigung der Interessen der Parteien nicht unbillig. Dem Schädiger wird keine zusätzliche Belastung auferlegt, der Geschädigte bekommt vielmehr eine nach objektiven Maßstäben zu bestimmende Leistung im Gegenzug für seinen Verzicht auf den ihm zustehenden Wiederherstellungsanspruch. Hierdurch wird auch kein „verdeckter“ Schmerzensgeldanspruch konstruiert. Das etwaig zusätzlich zu zahlende Schmerzensgeld hat mit dem Wiederherstellungsanspruch nichts zu tun.

Schließlich wird auch keinesfalls eine Horrorvision für die Versicherer durch die fiktive Abrechnungsmöglichkeit von Körperschäden hervorgerufen. Der Geschädigte muss sich, wenn er sich für die fiktive Abrechnung entscheidet, auch beim Wort nehmen lassen. Er kann dann für das Ertragen weitergehender Schmerzen, die mit hinreichender Sicherheit durch die durchgeführte Operation hätten vermieden werden können, kein zusätzliches Schmerzensgeld verlangen. Darüber hinaus kann im Einzelfall die vom Geschädigten gewählte fiktive Abrechnung auch für den Schädiger von (geldwertem) Vorteil sein. Denn bei dieser gewählten Art des Wiederherstellungsanspruches bleiben dem Schädiger zusätzliche Kosten bei Verwirklichung etwaiger Fehlschlags- und Komplikationsrisiken erspart.

Damit ist die fiktive Abrechnungsmöglichkeit von Körperschäden eine interessengerechte Lösung. Sie steht mit dem Wortlaut des Gesetzes in Einklang und fügt sich in die Begründungserwägungen der Rechtsprechung zur fiktiven Abrechnungsmöglichkeit von Sachschäden ein.

Co-Autor: Christian Konrad Hartwig

Erstmals veröffentlicht in der Zeitschrift VersR 2012, S. 1364 ff.

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