Lieferverkehr
Interpretation des „erlaubten Lieferverkehrs“ in einer Fußgängerzone.
Ein 55-jähriger Mann betreibt in der Innenstadt von Jena mehrere Schaukästen und wurde wegen verbotswidrigen Parkens in einem gesperrten Fußgängerzonenbereich zu einer Geldbuße verurteilt. Beschildert war der Fußgängerbereich mit dem Verkehrszeichen 1026-35 „erlaubter Lieferverkehr für den Zeitraum von 6.00 Uhr bis 10.00 Uhr und von 18.00 Uhr bis 21.00 Uhr“.
Der Betroffene hatte zwischen 8.30 Uhr und 8.50 Uhr in der Fußgängerzone geparkt. In diesem Zeitraum hatte er die Werbeschaukästen gereinigt und neu bestückt. Das Amtsgericht war der Meinung, er könne sich auf die Zusatzbeschilderung „Lieferverkehr erlaubt“ nicht berufen. Der Begriff Lieferverkehr beziehe sich nur auf Waren, deren Umfang und/oder Gewicht ein Tragen über längere Strecken unzumutbar erscheinen lässt. Dies sei für die von dem Betroffenen verwendeten Plakate oder Reinigungsutensilien nicht der Fall. Hiergegen legte der Betroffene Rechtsbeschwerde beim Thüringer Oberlandesgericht (OLG) ein.
Das OLG hat nunmehr den Begriff „Lieferverkehr“ weiter definiert.
Unter dem Begriff Lieferverkehr sei „eine stichwortartige Umschreibung des zur Führung und Aufrechterhaltung eines Geschäfts- oder Gewerbebetriebes erforderlichen, geschäftsmäßig – das heißt von Gewerbetreibenden und nicht von Privaten – durchgeführten Transportes von Gegenständen von oder zu (anderen) Gewerbetreibenden oder Kunden“ zu verstehen. Das Zusatzschild soll das Fortbestehen wirtschaftlich sinnvoller, geschäftlicher Betätigung in der Fußgängerzone ermöglichen; nicht zuletzt deshalb, weil diese dadurch in allgemein erwünschter Weise belebt werde.
Dem widerspreche es, den Begriff des Lieferverkehrs unter Außerachtlassung von Wirtschaftlichkeits- und Gleichbehandlungserwägung auszulegen. Gewerbetreibenden soll das Befahren der Fußgängerzone nicht nur dann erlaubt sein, wenn ihnen der durchgeführte Transport wegen der Größe und/oder Schwere der beförderten Gegenstände zu Fuß unzumutbar sei. Auch die geschäftliche Förderung leichter (tragbarer) Gegenstände in die oder aus der Fußgängerzone heraus sei als Lieferverkehr anzusehen.
Quintessenz der Entscheidung ist also, ob der Ort von oder zu dem geliefert wird, in der Fußgängerzone liegt. Ein bloßes Abkürzen durch Befahren zum außerhalb liegenden Lieferort ist danach nicht gestattet. Diese Entscheidung des OLG eröffnet somit die Möglichkeit praktisch zu jedem, einem Gewerbe dienenden Zwecke die Fußgängerzone zu befahren.
Autor:
Rechtsanwalt Michael Otto
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