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Verfassungsrechtliche Zweifel an der Höhe der Säumniszuschläge im Verfahren bei Anmeldung zur Insolvenztabelle

Lassen sich verfassungsrechtliche Zweifel gem. § 238 AO auch auf die Säumniszulage übertragen?

1. Die gegen die Höhe der Zinsen gem. § 238 AO erhobenen verfassungsrechtlichen Zweifel lassen sich nicht auf Säumniszuschläge übertragen.

2. Den vorwiegend als Druckmittel konzipierten Säumniszuschlägen lässt sich ein fester typisierter Zinssatz nicht verlässlich entnehmen.

§ 240 AO, § 238 AO, Art 3 GG, § 251 AO

Hintergrund: In dem Verfahren klagte ein Insolvenzverwalter. Das Finanzamt hatte die Hälfte der verwirkten Säumniszuschläge erlassen und den verbleibenden Rest neben weiteren Abgabenforderungen nach § 251 Abs. 3 AO festgestellt, nachdem der Insolvenzverwalter den Anspruch auf die restlichen Säumniszuschläge bestritten hatte. Eine Billigkeitsentscheidung über die noch offenen Säumniszuschläge wurde nicht getroffen. Im Streitverfahren ging es folglich allein um die Frage, ob die verwirkten Säumniszuschläge zu Recht festgestellt worden waren. Da diese unstreitig richtig berechnet waren, konnten gegen die kraft Gesetzes entstehenden Säumniszuschläge nur verfassungsrechtliche Einwände zum Erfolg führen.

Das Gericht hat die Klage abgewiesen und verfassungsrechtliche Zweifel an der Höhe der Säumniszuschläge verneint. Die Verfassungsmäßigkeit des typisierenden AO-Zinssatzes von 6% p.a. nach § 238 AO stehe angesichts einer anhaltenden Niedrigzinsphase seit geraumer Zeit auf dem Prüfstand (beim BVerfG anhängige Verfassungsbeschwerden für Zinszeiträume ab 2009 bzw. ab 2012 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17). Eine Übertragung derartiger verfassungsrechtlicher Erwägungen auf Säumniszuschläge, die 12% p.a. betragen, setze zunächst voraus, dass den Säumniszuschlägen ein definitiver und definierbarer Zinsanteil innewohne. Der Charakter der Säumniszuschläge sei umstritten, insbesondere ob sie in voller Höhe Druckmittel seien (Loose in Tipke/Kruse, AO-FGO, § 240 AO Rz. 4 ff.), oder ob sie neben dem Druckmittelcharakter auch eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuerschulden und die Abgeltung von Verwaltungsaufwand darstellten (so die ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 16. November 2004, VII R 8/04, BFH/NV 2005, 495 m.w.N.).

Das FG Hamburg ist dieser Auffassung zwar gefolgt und hat einen Zinsanteil an den Säumniszuschlägen bejaht, im Ergebnis hatte die Klage aber keinen Erfolg, weil es nicht davon überzeugt war, dass die Höhe der Säumniszuschläge verfassungswidrig ist. Ein genauer prozentualer Zinssatz, der verfassungsrechtlich verprobt werden könne, lasse sich angesichts des besonderen Charakters der Säumniszuschläge nicht ausmachen, so sei auch unklar, ob neben einem Zinsanteil ein bestimmter bezifferbarer Anteil für Verwaltungsaufwand anzusetzen sei. Die Säumniszuschläge verstießen auch nicht insgesamt mit einem Zinssatz von 12% p.a. gegen das Übermaßverbot.

Bitte beachten: Es muss zwischen dem Billigkeitsverfahren und dem Festsetzungs-/Feststellungsverfahren unterschieden werden. In Insolvenzfällen wird die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ab einem bestimmten Zeitpunkt regelmäßig zu bejahen sein und werden die Säumniszuschläge zur Hälfte erlassen. Der vollständige Erlass muss dann im Wege einer Verpflichtungsklage verfolgt werden. Da die Säumniszuschläge kraft Gesetzes entstehen, bedarf für die Geltendmachung anderer Einwendungen als Billigkeitsgründe des Erlasses eines Feststellungsbescheides nach § 251 Abs. 3 AO oder außerhalb des Insolvenzverfahrens eines Abrechnungsbescheides (§ 218 Abs. 2 AO).

Das Urteil des Finanzgerichts ist nicht rechtskräftig. Das Aktenzeichen der Revision beim Bundesfinanzhof lautet VII R 55/20.

Quelle:

Finanzgericht Hamburg | Urteil vom 01.10.2020 | Aktenzeichen: 2 K 11/18


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